Sehen lernen

Gerade in der Büro- und Wissensarbeit, wo die Wertströme nicht so (be-)greifbar sind wie beispielsweise in der industriellen Produktion, ist es zunächst wichtig, die Prozesse aus Perspektive der Arbeitsobjekte zu verstehen und dann ein gemeinsames Verständnis dafür zu entwickeln, welche Arbeitsschritte zur Wertschöpfung beitragen, und welche unnötig sind.

 

Sowohl bei der Wahl der Methode (siehe einige Beispiele unten) als auch bei der Durchführung gilt: Bleiben Sie auf Augenhöhe mit den im Prozess beteiligten Mitarbeitern. Denn Sie sind auf ihre Mitwirkung angewiesen.

"Office" ist nicht gleich "Office"

Zwar gibt es administrative Prozesse, die – ähnlich wie in der Fertigung – in kurzen Zyklen ablaufen, erklärbaren Regeln folgen und ein vorhersehbares, bewertbares Arbeitsergebnis erzeugen (z. B. Auftragsbearbeitung für Standardprodukte, der Rechnungsdurchlauf, eine Datenerfassung). Aber es gibt eben auch die reine Wissensarbeit, bei der die Leistungserstellung im Kopf erfolgt und sich daher nicht genau beobachten, messen oder in enge Zeit- und Mengenraster einordnen lässt.

Wissensarbeit verläuft selten linear

In der Büro- und Wissensarbeit ist der Weg von Vorgängen selten linear und nicht klar nachvollziehbar. Der Prozess der Angebotserstellung beginnt beispielsweise beim Vertrieb, geht zur Machbarkeitsprüfung durch die Konstruktion und die Fertigungsplanung,  ggf. auch durch den Einkauf, um die Preise für Zukaufteile zu klären, und endet wieder im Vertrieb, wo das Angebot geschrieben wird. Dazwischen gibt es möglicherweise weitere iterative Schleifen, mehrfach durch die gleichen Hände. Die zu diesem Wertstrom gehörenden Arbeitsvorgänge und Informationen sind oftmals verstreut, verstecken sich geradezu in aufgeblähten Postfächern, in prall gefüllten Zwischenablagen oder auf endlosen To-Do-Listen.

Trotz gläserner Fassade können wir nicht den Prozessablauf erkennen.


Das heißt, in der Büro- und Wissensarbeit liegt die Herausforderung eher darin, Informationsflüsse und Schnittstellen in ihrer Vielfalt wirklichkeitsnah und zugleich nachvollziehbar darzustellen – nicht im Erfassen eines berechenbaren Zahlengerüsts, das ohnehin nicht mehr als das Abbild einer Scheinrealität sein kann.


Methoden zur Prozessdarstellung und -analyse (Auswahl)

Flussdiagramm (Flowchart)

 

Das Flussdiagramm ist ein probates Mittel, um sich zunächst einen Überblick zu verschaffen und insbesondere Verzweigungen bzw. Schleifen, Entscheidungswege und unterschiedliche Varianten zu erfassen. Somit ist das Flussdiagramm auch eine gute Basis für die weitere Prozesseingrenzung, zumal der Einsatz schnell und intuitiv erlernbar ist. Gleichzeitig ist diese Methode auch gut geeignet, um eine Detailansicht von Teilprozessen bzw. Arbeitsschritten vorzunehmen und Abläufe bzw. Entscheidungswege im Sinne von Team-Standards transparent darzustellen.


Prozess-Mapping / "Swimlanes"

 

Das Prozess-Mapping bildet wie das Flussdiagramm die Prozessabfolgen mit Verzweigungen bzw. Rückschleifen ab, allerdings im zeitlichen Verlauf von links nach rechts, quasi in "Schwimmbahnen", die jeweils für eine beteiligte Funktion oder Abteilung steht. So kann deutlich gemacht werden, wie häufig die Arbeitsvorgänge zwischen den Bereichen springen. Zusätzlich werden die Kommunikationswege, verwendete Systeme und Formulare sowie die Bearbeitungs- und Durchlaufzeiten abgebildet. Es ist sowohl für Teilprozesse / kleine Prozesse als auch zur Übersichtsdarstellung (auch Prozesslandkarten) geeignet. 

"Makigami" ist eine verwandte Methode, die aber noch einige spezifische Elemente enthält.


Wertstromanalyse / Wertstrom-Design

 

Die Wertstromanalyse (Value Stream Mapping) bildet Materialflüsse und damit zusammenhängende Informationsflüsse sowie Steuerungsmechanismen ab. Daher ist sie besonders gut geeignet, um die Bewegungen von physischen Objekten darzustellen. In Verwaltung und Dienstleistungsbereichen können mittels der Wertstromanalyse besonders gut Arbeitsbestände und Engpässe im Prozess abgebildet werden. Da dort selten materielle Werte strömen, sondern Informationen und Serviceleistungen, kann auch von Servicestromanalyse gesprochen werden.